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RTL-Rach: Schein und Sein

27. Januar 2009

"Rach, der Restauranttester" ist ein (TV-) Format mit Format (siehe hier). Eine Sendung mit Niveau und man koennte meinen, dass sie auf allen moeglichen Fernsehsendern laufen koennte, nur nicht auf RTL. Doch genau das ist der Fall.

Warum auch nicht, denn einige Formate des "Dschungelsenders" waren ("7 Tage-7 Koepfe") und sind ("Wer wird Millionair") tatsaechlich sehenswert, waehrend sich die oeffentlich-rechtlichen mittlerweile ja auch zumindest sporadisch mal auf`s duenne Eis wagen. Selbst sehr "spezielle" Auftritte und eine sprichwoertliche "Scheiss-Wette" sind dort nicht mehr tabu. Wie sagte Thomas Gottschalk in seiner juengsten "Wetten, dass…"-Sendung so treffend: "Eure Scheisse koennen wir schon lange…"

…und was schrieb mir kuerzlich ein RTL-Insider, als ich ihn mit der (natuerlich von mir subjektiv-empfundenen) Kluft zwischen Niveau (Rach) und Abgrund (Dschungelcamp) auf seinem Heimatsender konfrontierte: "Was tut man nicht alles fuer 37%…"

Die Sendung mit dem Sternekoch Christian Rach, der in Not geratene Restaurants mit viel Sachverstand und Einsatzfreude im Idealfall (der nicht immer gegeben ist) wieder auf die Spruenge hilft, war und ist unterhaltsam, gewissermassen "spannend", nicht zu abgehoben und wirkt authentisch.

"Damals" (2007) bin ich erst spaeter darauf aufmerksam geworden, nachdem schon ein paar wenige Folgen gelaufen waren. Deswegen ist mir auch entgangen, dass die jetzt in den letzten Wochen gezeigten Folgen Wiederholungen waren. Nun folgte aber die wohl in Erinnerung gebliebene Folge mit dem "Conmux" in Berlin aus der ersten Staffel, die gleich als Wiederholung enttarnt wurde. Nanu? Wie konnte das sein? Es war doch eine neue Staffel angekuendigt? Kein Kommentar.

Dadurch angestachelt wurde die Wiederholung ignoriert und Google bemueht. Erstaunliches kam dabei zutage. Auf der Webseite des "Historik Hotel Ochsen" gibt es einen offenen Brief an Christian Rach zu lesen, den die Betreiber des Gasthofs zusammen mit ein paar Zeitungsartikeln dort veroeffentlicht haben. Der historische Gasthof "Ochsen" war zuvor Schauplatz einer Folge mit dem Restauranttester gewesen.

Zitat(e):

"(…) Wir haben keine Werbesendung für unser Haus erwartet. Allerdings wäre es schön gewesen, auch positive Szenen z.B. von der Kulinarischen Weinprobe im Weinkeller oder der Feier in der Kelter mit ca. 90 Personen zu zeigen. Die Zustimmung zum Senden hatte das Produktionsteam ja von den Gästen eingeholt. Offensichtlich soll das Negative überwiegen um es dann medienwirksam in Szene zu setzen. (…)"

"(…) Im Großen und Ganzen war die Sendung recht nah an den tatsächlichen Vorgängen. Doch einiges kam zu kurz oder wurde verfälscht dargestellt. Dass bei solch einer „Reality-Show“ die Quote über allem steht und auf persönliche Befindlichkeiten wenig bis kein Wert gelegt wird, war uns im Vorfeld klar. (…)"

…und aus einem Artikel "Bietigheimer Zeitung":

"(…) Mitte November 2005 rückte bereits das Produktionsteam an. Zehn bis zwölf Personen hielten sich neun Tage im Ochsen auf, filmten von morgens bis abends. (…) Doch man verstand sich gut, führte mit Promikoch Rach fruchtbare Gespräche. Da wollten die Gastgeber auch nicht kleinlich sein, als das TV-Team den Wunsch geäußert haben soll, eine private Geschichte etwas "medienwirksamer" zu inszenieren, als sie es tatsächlich war. (…) Ansonsten sei nach Meinung der Geschäftsleute stark selektiert worden. Fast ausschließlich Szenen, in denen die Eheleute, so wie sie finden, unangenehm pingelig oder inkompetent wirkten, seien ausgewählt worden. Darüber hinaus seien Sprecherkommentare nachträglich über Szenen gelegt worden, "die in dieser Form gar nicht stattgefunden haben" (…)"

Wem glaubt der Ottonormalkonsument nun eher? Der Produktionsfirma, deren Film via RTL ausgestrahlt wurde oder den Restaurantbetreibern, die sich auf ihrer eher privat anmutenden Homepage in einem offenen Brief ueber die Dreharbeiten auslassen? In Anbetracht der Formulierungen auf der Webseite des "Ochsen" ist man definitiv nicht abgeneigt, den Hoteliers eher Glauben zu schenken. Zumal sich die Privatsender und deren "Street-Teams" nicht immer mit Ruhm bekleckert haben, wenn es darum ging, publikumswirksame Konflikte und Skandale boulevardmaessig auszuschlachten und/oder sie im Dienste der Sache bzw. der Quote gar erst entstehen zu lassen.

Andererseits koennte ein Medienriese wie RTL vielleicht sogar nachvollziehbarerweise auch argumentieren, dass diese Restaurants / Hotels / Gasthoefe ihre kurzzeitige Medienpraesenz und den daraus resultierenden Bekanntheitsgrad bestmoeglich ausnutzen wollen und sich deswegen zu derartigen Aeusserungen hinreissen lassen.
…the answer, my friend, is blowin' in the wind…

"Doku-Soap", "Reality-TV"… das gibt es so gesehen nicht. In diesem Fall wurde um einen sicherlich kompetenten Sympathietraeger mit guten Absichten herum anscheinend eine Suppe aus heile Welt und Schlachtfeld bzw. Realitaet und Fiktion gekocht, die diesmal leider einen etwas faden Nachgeschmack hinterlaesst.

Im Grunde genommen wurde man dadurch aber auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurueckgeholt und die steinalte Erkenntnis "es ist ja nur Fernsehen" mal wieder untermauert…

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