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Eine Jury soll’s richten

16. Dezember 2008

"Ein Desaster", treffender haette man es kaum ausdruecken koennen. Im Mai 2008 landeten die "No Angels" beim Eurovision Song Contest auf dem sagenumwobenen letzten Platz. Grausame Erinnerungen an Gracia`s "Run & Hide" aus dem Jahr 2005 wurden wach…

Das soll sich nicht wiederholen und eines war mittlerweile absolut klar: Veraenderungen muessen her. Die ARD schlaegt dabei zwei Fliegen mit einer Klappe, denn sie richtet zukuenftig keinen nationalen Vorentscheid mehr aus. Das spart Geld und soll "namhafte" Kuenstler motivieren, an diesem mittlerweile recht zweifelhaften Wettbewerb teilzunehmen. Eine Jury soll mehr oder weniger geheim und anonym darueber befinden, welcher Beitrag im nationalen Namen in die Fremde geschickt wird. Im Grunde genommen wird hier also eine richtige "Rolle Rueckwaerts" getaetigt, denn ganz frueher funktionierte der Grand Prix Eurovision De La Chanson schonmal nach dem Jury-Prinzip.

Den moeglichen, nationalen Anwaertern soll also die "Angst" genommen werden, in einem Vorentscheid auszuscheiden und somit eventuell einen Image-Schaden zu erleiden. Ein zweischneidiges Schwert…

Gegen einen guten (!) Neuling zu verlieren, sollte fuer einen Profi doch kein Problem sein, denn Musik ist -immer wieder gerne betont- in erster Linie subjektiv. Trotzdem bleiben Zweifel, dass die Massnahme was bringt.

Die Boulevardpresse wuerde hoechstwahrscheinlich wie eine Hyäne um die moeglichen Jurymitglieder herumkreisen um eventuell doch zu erfahren, ob vielleicht Herbert Groenemeyer, Annett Louisan, Die Toten Hosen, Rammstein, Das Heimat-Duo Judith & Mel, Rosenstolz oder Luxuslaerm etwas eingereicht haben. Und wehe, sie haben und nochmal wehe, es kommt raus, dass sie abgelehnt wurden… Die Titelseiten waeren voll damit und dann waere man im Grunde genommen so weit wie vorher.

Andererseits duerften selbst die hiesigen Stars im Ausland aufgrund ihrer Typologie nicht immer funktionieren und diejenigen, die diese Jury gerne dort sehen wuerde, wissen das sicherlich auch. Okay, Nena war mal sehr erfolgreich in den USA, Tokio Hotel mischen jetzt gerade das Ausland auf und Herbert Groenemeyer versucht`s derzeit auch mal wieder in Englisch. Das laesst sicherlich hoffen und eines ist Fakt: Der letzte Platz ist nicht mehr zu toppen, es kann also nur besser werden…

Es bestuende wohl auch die Gefahr, dass die Vorauswahl-Kriterien evtl. zu "Promi-fixiert" waeren. Die Partycombo aus Kleinkleckersdorf haette wahrscheinlich zunaechst keine Chance, in die engere Auswahl zu kommen…
…was sicherlich eine subjektive Unterstellung ist und zu beweisen waere…

Ein weiterer Schwachpunkt bleibt bestehen: Das Telefonvoting beim Hauptwettbewerb. Das Land, welches entweder die meisten Sympathien oder die meisten Auswanderer in einem anderen Land hat, bekommt aus diesem wiederum erfahrungsgemaess auch viele Punkte. Die Tuerkei darf sich eigentlich jetzt schon der zwoelf Punkte aus Deutschland sicher sein, selbst dann, wenn sie eine singende Parkuhr auf die Buehne stellen wuerde…

Vielleicht sollten die Macher des Eurovision Song Contest 2009 prinzipiell (!) mal in Richtung "European Podcast Award" schielen. So schlecht ist es naemlich gar nicht, wenn ein Internet- und/oder Telefonvoting zwar zaehlt und Gewicht hat, wenn aber trotzdem die zusaetzliche Entscheidung einer (hoffentlich kompetenten) Jury in das Gesamtergebnis einfliesst. Schliesslich ist gute Musik nicht anhand der Anzahl der Trommler und Feuerschlucker auf der Buehne sowie dem Attraktivitaetsgrad der Darbeitenden definiert, sondern auch auf musikalischen bzw. musiktheoretischen Grundlagen basierend. Soll heissen, die Wertigkeit der Komposition selbst darf nicht ausser Acht gelassen werden. Diese kann eher eine Jury beurteilen als wie der Heimatland-Fan mit seinem Handy waehrend einer Grand-Prix-Party, wo er womoeglich im Suff und voellig kritiklos einfach die ihm eingetrichterte Nummer waehlt, "weil alle es tun"…
…fuer zwei Euro achtzig pro Anruf :)

Fazit: Eine Mischung aus "Buergerstimme" (Telefon-/Internetvoting) und Fachurteil koennte (!) dem Wettbewerb wieder zumindest etwas mehr Glaubwuerdigkeit verleihen…

Weiterlesen: Artikel bei Sueddeutsche.de / Artikel bei der FAZ

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