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GEMA gegen den Rest der Welt?

3. April 2009

YouTube hat sich mittlerweile zu einem im allgemeinen fuer den User kostenlosen, aber gewaltigen Online-Archiv fuer audiovisuelle Inhalte gemausert. Und das ist gut so. Viele Leute entdecken in ihren Kellern alte Videocassetten und spielen beispielsweise seltene und natuerlich alte TV-Aufnahmen, die so heutzutage einfach nicht mehr zu bekommen sind, bei YouTube ein und das zur Freude der Leute, die gerne mal in Erinnerung schwelgen. Die alte RTL-Nachtschleife, der Sendeschluss der ARD und vieles mehr, von dem man meint, es wuerde keinen mehr interessieren. Weit gefehlt…

Legendaere Ausschnitte aus alten Filmen gibt es dort, nicht immer zur Freude der Urheber, die aber trotzdem davon profitieren und in positiven Ausnahmefaellen sogar die Not zur Tugend machen. Die britische Comedy-Truppe "Monty Python" hat es eindrucksvoll vorgemacht und praesentiert Videoschnipsel aus ihren eigenen Werken auf einem eigenen, offiziellen YouTube-Profil. Und das ist voellig zurecht sehr erfolgreich.

Ein Besuch bei einem ebenfalls musikbegeisterten Kumpel endete vor gar nicht allzu langer Zeit damit, dass wir gemeinsam vor dem Flachmonitor sassen und uns gegenseitig mit aktuellen Musiktipps und/oder alten, ganz seltenen Videos via YouTube ueberboten haben. Bei einer "Kanne Bier" war das ein aeusserst netter Abend, nach dem man dieses gigantische Musikvideoarchiv erneut zu schaetzen gelernt hatte.

Jetzt kommt der institutionelle Spassverderber schlechthin daher und traegt wahrscheinlich eine gehoerige Mitschuld daran, dass YouTube sich genoetigt sieht, den Zugriff auf viele Musikvideos fuer deutsche Anwender zu sperren. Die "Sueddeutsche" bezeichnet das als "Digitales Saebelrasseln".

"Ein Streit ist entbrannt. Für die einen kleinkariert, für die anderen völlig berechtigt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen." (Quelle: Readers-Edition.de)

Die GEMA sollte eigentlich ein "Supporter" der bei ihr registrierten Bands und Kuenstler sein. Stattdessen wirft sie ihnen gerade in punkto Downloads, Podcasts, Streaming etc. mittlerweile gehoerig-grosse Steine in den Weg. Da werden Kuenstler ermahnt, die ihre Songs als MP3-Download auf ihre Seiten stellen (meistens finden nur gekuerzte Streams den Segen), da muessen Bands fuer die Live-Darbietung ihrer eigenen Songs GEMA-Gebuehren bezahlen und jetzt werden die im Normalfall werbewirksamen und sich auf viraler Ebene schnell verbreitenden Musikvideos schlichtweg abgemurkst.

"Das YouTube für die Künstler in erster Linie ein Promotion-Medium ist und war scheint die GEMA dabei vollkommen zu ignorieren – und beweist wieder einmal, wie weit hinterher der große Komplex ‘Musikindustrie’ hinsichtlich neuer Medien ist: Anstatt Trends zu erkennen und zu fördern, immerhin ist man ja Vertreter der Künstler, wird die Hand noch weiter aufgehalten und damit ein Werbemedium vollends zerstört." (Quelle: NerdTainment.de)

Viva und MTV zeigen Musik -wenn ueberhaupt- fast nur noch im Nachtprogramm, da schlechte und stumpfsinnige Dating- und Doku-Soaps anscheinend Vorrang haben. Teilweise sehenswerte Spartensender wie DeluxeTV, GoTV oder iMusicTV haben ein Defizit an technischer Reichweite und sind meistenteils den Sehern des Astra-Digital-Satelliten vorbehalten. Andere Videoportale abseits von YouTube haben oftmals nicht das Gewuenschte im Archiv.

"Noch dazu kommt, das gerade Teenies YouTube für die Musikberieselung genutzt haben – wofür die Künstler ja auch vergütet wurden. Die Möglichkeit fällt weg – wo sich die angesprochene Zielgruppe dann bedient, kann sich jeder mit gesundem Menschenverstand vorstellen: Dann geht es eben in Richtung Rapidshare oder auch Piratenbucht – und davon sehen die Künstler nicht einen Cent.
(Quelle: NerdTainment.de)

Wem schaden Musikvideos? Keinem. Sie sollen foerdern, promoten, sich verbreiten, wollen gesehen werden. Das MTV der Gegenwart ist nunmal internett. Wann sehen diese Leute, die sich nach wie vor an alten Zoepfen festklammern, das endlich ein?

"Mittlerweile hat man das Gefühl, dass die Gema, die allein im Jahr 2007 insgesamt 850 Millionen Euro einsammelte, durch ständige Gebührenerhöhungen nur noch ihren gewaltigen Beamtenapparat finanzieren will." (Quelle: Welt.de)

Zu einem Streit gehoeren immer wenigstens zwei Seiten und es ist in diesem Fall natuerlich auch wieder bedenklich, dass YouTube mit Google im Ruecken mal wieder seine digitale Macht nahezu unbehelligt ausspielen kann und darf, zum Leidwesen vieler.

Diverse Fernsehserien, die man in den USA bequem und legal auch via YouTube abrufen kann, sind in Deutschland ebenfalls nicht zugaenglich, "sorry, this video can’t be displayed in your country" und aehnlich lautende Fehlermeldungen verleiten den geneigten Zuseher immer haeufiger dazu, gepflegt in den Tisch zu beissen. Diverse Videos werden mittlerweile stummgeschaltet, weil im Hintergrund ein Voegelchen eine Sequenz aus einem bei der Warner Music Group registrierten Song pfeift. Geht’s noch?

Geld verliert man nicht unbedingt durch bei YouTube eingespielte Musikvideos, die u.U noch Werbeinblendungen enthalten (TV-Aufnahmen). Im Gegenteil, selbst diese "minderwertigen" Filmchen tragen massgeblich zum Bekanntwerden eines Songs oder zum Erinnern an ihn bei. Diejenigen, die die Videos in wirklich guter Qualitaet sehen oder besitzen wollen, kaufen entsprechende Downloads oder DVDs und/oder haben das Equipment nebst "Know-How", um das Gewuenschte aus den gnaedigen Nachtschleifen der ehemaligen Musiksender zumindest in 720*576 Pixeln aufzuzeichnen (wovon der Urheber an sich zumindest finanziell zunaechst auch nicht profitiert).

"Es wird vermutlich noch Jahre dauern, bis sich im Netz eine direkte oder indirekte Bezahlmethode entwickelt bzw. durchgesetzt hat, von der alle Leben können. Bis dahin könnten die Musiker YouTube dann als Chance begreifen, sich, ihre Marke und ihre Musik bekannter zu machen.
Wenn von 100.000 Leuten nur 1%, also 1000, eine CD oder digitales Album kauft, dann haben sie schon 10.000 Euro Umsatz erzielt." (Quelle: Kommentar bei Readers-Edition.de)

Dies hier soll keine fundierte Analyse sein, genauso wenig wie der Beitrag von Thomas Wanhoff, in dessen Fahrwasser dieser Beitrag entstanden ist und aus dem das folgende, aeusserst treffende Schlusswort stammt:

"Liebe Deutsche Künstler, erst wenn Euer letzter Song aus den Tauschbörsen verschwunden ist, Youtube Euer letztes Video gesperrt hat und iTunes den neuen Preisforderungen nicht nachgibt und zumacht, werden Ihr merken, dass es gar keine Plattenläden mehr gibt – und auch die Gema Euch nicht mehr ernähren kann."

KategorienMedien, Musik