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Udo Juergens – Einfach Ich

24. Januar 2008

Nachdem er unlaengst sein Musical "Ich war noch niemals in New York" mit grossem Erfolg hat urauffuehren lassen, landete sein neues Album "Einfach Ich" jetzt auf Anhieb unter den Top10 der deutschen Albumcharts. Das sei Udo Juergens hiermit auch deutlichst gegoennt, zumal er in seiner musikalischen Laufbahn viel zu oft unterschaetzt worden ist. Gerade im Zeitraum von den Spaetsiebzigern bis zur Mitte der neunziger Jahre gab es verdammt viele, sehr gute Alben (Udo `80, Treibjagd, Deinetwegen, Das blaue Album, Traumtaenzer, Hautnah, Ohne Maske…), auf denen sich bis heute wahre Liederperlen verbergen, hinter deren Qualitaet sich viele andere, deutsche Liedermacher und Interpreten zweimal verstecken koennen. Leider hatte die Plattenfirma meistens ein zu sicheres Haendchen beim Herauspicken der seichteren Songs (die zweifelsohne fast immer mit dabei waren) bewiesen, die dann als Singles veroeffentlicht wurden. Das hat Udo wiederum oftmals in die mentale Schlagerecke gedraengt, wo er (von Ausnahmen und den ganz alten 60er-Songs mal abgesehen) eigentlich nicht hingehoert.

"Tanz auf dem Vulkan" heisst die erste Single aus dem neuen Album. Ein bitterboeser Text, verpackt in eine eingaengige Melodie. Udo nennt das ein "satirisches Lied", denn er meint, dass man schlechte Botschaften zwar beispielsweise in den 80ern noch getragen transportieren konnte (siehe "5 Minuten vor 12"), dass das heutzutage aber doch eher auf die eingaengige Art und Weise geschehen muss, damit die Botschaft eventuell ankommt.

Die Erde gedeiht, seit so vielen Jahr`n
jetzt wird`s aber Zeit, sie in den Graben zu fahr`n.
Wir pluendern sie aus, wir heizen sie ein
das ueberlebt auf Dauer kein Schwein.
(…)
Nur keine Sorgen, Freunde – noch eine Runde auf`s Haus
Nach uns die Sintflut – der Letzte macht die Lichter dann aus.
Was morgen passiert – das geht uns nichts an
Willkommen beim Tanz auf dem Vulkan.

Auf diesem Album erfindet Udo sich deutlichst nicht neu. Im Gegenteil. Viele Harmonien und auch einige Wortschoepfungen meint der fleissige Udo-Juergens-Hoerer schonmal von ihm gehoert zu haben. Das Album ist generell keine grosse Ueberraschung, aber es ist solide und die Vertrautheit, die es ausstrahlt, vermittelt ein angenehmes Gefuehl. Die Stimme ist -logischerweise- etwas anders nuanciert als wie noch in den 70er und 80er Jahren, die Instrumentierung wurde diesmal u.a. durch das "London Musicians` Orchestra" vorgenommen, was sich oftmals in einem angenehmen Bombast niederschlaegt, auch wenn das bei Udo Juergens nicht unbedingt neu ist. Man erinnere sich an Songs wie z.B. "Wort", die schon vor fast dreissig Jahren zusammen mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen wurden und bis heute nichts von ihrer Faszination verloren haben.

Natuerlich gibt es auch wieder typische Liebeslieder ("Letzte Ausfahrt Richtung Liebe"), die aber vom Begriff "Kitsch" meilenweit entfernt sind. "Vernetzt" ist wiederum ein mit Seitenhieben auf die gegenwaertige Medienlandschaft gespicktes Gestaendnis der Unfaehigkeit, saemtlicher moderner Technik Herr zu werden. Dazwischen gibt es Nachdenkliches wie z.B. "Warum Denken traurig macht" und Aufmunterndes wie "Nur die Sieger steh`n im Licht".

Eine tolle und voellig neuartige Interpretation des Songs "Fehlbilanz" rundet das Album als letztes Vokalstueck darauf ab. Urspruenglich war der Song 1991 auf dem Album "Geradeaus" erschienen und zaehlte damals schon zu den Besten dieses Werkes. Musikalisch ist er jetzt ziemlich stark veraendert worden, aber der Text ist aktueller denn je:

Freiheit ohne Grenzen, abgrundtiefe Graeben – Fehlbilanz!
Volle Einkaufswagen, inhaltsleeres Leben – Fehlbilanz!
Denkende Computer, programmierte Menschen – Fehlbilanz!
Wissen, das uns arm macht, ueberall zu wenig und zu viel…
(…)
Zu viele Zeichen an den Waenden, zu wenig Zeit, um hinzuseh`n.
Zu viel Entsetzen vor dem Abgrund, zu wenig Kraft, hindurchzugeh`n.
(…)
Zu viele Bilder, die nichts zeigen, zu viele Chancen jeden Tag.
Zu viele Lieder, die nichts sagen, und was uns bleibt: ein Fehlbetrag…

Nachdem es in den letzten Jahren irgendwie zuviele Udo-Sampler gab und die letzten zwei-drei Alben zwar auch okay waren, den vorhin schon erwaehnten Vorgaengern aber oftmals nachgestanden haben, ist "Einfach Ich" wieder eine richtig "runde" Udo-Juergens-Platte, die dem geneigten Zuhoerer in Anbetracht des Alters dieses trotzdem irgendwie-immerjungen Entertainers eine gehoerige Portion Respekt abringen muss. Gut gemacht!

Links:
Udo-Juergens-Homepage / "Einfach ich" bei Amazon.de / Artikel bei "Press On"

Update:
Eine fundierte Kritik zum Album gibt es mittlerweile bei Laut.de

KategorienMusik