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Leercassette contra Schallplatte

15. April 2010

Die Mittel sind andere, doch im Kern hat sich die Argumentation nicht geaendert: Die Moeglichkeit, dass Privatpersonen ihre Lieblingsmusik selbst speichern koennen, war und ist der Musikindustrie ein Dorn im Auge. Im ClipHead-Blog gibt es einen interessanten Beitrag zu lesen, der den vielsagenden Titel "Sind Leer-Cassetten der Tod der Schallplatte?" traegt. Ihm liegt der 70er-Jahre-Artikel "Hits zum Nulltarif" aus der BRAVO zugrunde. Ein paar Zitate:

"Fuer viele junge Leute ist es eine Selbstverstaendlichkeit: Sie leihen Platten untereinander aus, nehmen sie auf Cassette auf und zapfen den Rundfunk an"

"Alle Besitzer von Cassettenrecordern, die nach wie vor einen Schallplattenspieler haben, kaufen sich nach wie vor die Scheiben ihrer Lieblingsstars. Dafuer gibt es keinen vollwertigen Ersatz."

Thomas Gottschalk: "Frueher habe ich auch immer die Hits auf Tonband aufgenommen. Bei den Single-Preisen von sechs Mark ist das auch mehr als verstaendlich."

Friedrich Schmidt (Ariola): "In der Bundesrepublik Deutschland verursachen die Leer-Cassetten fuer die Schallplattenindustrie einen Umsatzverlust von mehr als einer Milliarde Mark.Darunter leiden natuerlich auch Komponisten, Verleger, Texter und die Kuenstler. Wenn die Umsaetze weiter zurueckgehen, so wird sich das in erster Linie auf das Suchen nach neuen Wegen in der Musik auswirken."

Ralph Siegel: "In gewisser Weise stehlen die Leute, die Songs auf Leer-Cassetten aufnehmen, den Autoren und Kuenstlern ihr geistiges Eigentum. Andererseits ist es verstaendlich, dass die Teenies die Chance, mitzuschneiden, nutzen".

Der Artikel ist 33 Jahre alt. Aehnliche Argumente gab es dann spaeter beispielsweise in Bezug auf Leer-CDs und aktuell bezueglich MP3-Downloads. Und? Ist die Musik verstummt? Nein. Ganz im Gegenteil, sie ist vielseitig wie selten zuvor und das ist unter anderem auch darauf zurueckzufuehren, dass sich mittlerweile eine "Parallelwelt" (freie Musik) etabliert hat, die immer wieder ueberraschende Ergebnisse hervorbringt. Andererseits ist das Wettrennen zwischen Privatkopie und offizieller Veroeffentlichung noch immer nicht beendet, denn es gibt, wie man am leidigen Beispiel "YouTube versus Gema" sehen kann, leider sogar sehr unschoene Nebeneffekte.

Frueher standen in den Plattenlaeden etliche Plattenspieler, an denen sich jeder seine Wunschplatte vor dem Kauf anhoeren konnte. Andere haben sich die LP von Klassenkameraden ausgeliehen und auf Cassette ueberspielt. Dieses "Filesharing" hat das Vinyl- und Cassettenzeitalter ueberlebt und ist in der internetten Gegenwart angekommen. Prinzipiell hat sich nicht viel geaendert. Doch vom Kunden wird immer haeufiger erwartet, dass die "Katze im Sack" gekauft wird, denn 30-Sekunden-Vorhoerschnipsel auf Verkaufsportalen koennen nicht wirklich einen Eindruck von einem Musikwerk vermitteln. Daher "saugen" sich viele Leute die Songs anderweitig und/oder kopieren nach wie vor CDs. Die Saengerin "Gilla" hat es im oben zitierten Artikel aber schon richtig auf den Punkt gebracht: "Wenn eine Platte ein Hit ist, wird sie auch gekauft." So isses. "Mehrwert" heisst das Zauberwort, nicht "Sperrwert"…

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